Die Geschäftsleitung des Kulturzentrums Pavillon in Hannover: Kiriakoula Kremantzouli (links) und Justin Laura Hahn (rechts)

Kulturköpfe | Kiriakoula Kremantzouli und Justin Laura Hahn

Kiriakoula Kremantzouli und Justin Laura Hahn bilden die neue Doppelspitze des Kulturzentrums Pavillon in Hannover. Wir stellen sie in der Reihe „Niedersächsische Kulturköpfe” vor.

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15.02.2024
Das Kulturzentrum Pavillon aus der Vogelperspektive – im Hintergrund der Hauptbahnhof Hannover

Markanter Kulturort am Hauptbahnhof Hannover

Eine der größten Kultureinrichtungen der Landeshauptstadt liegt direkt zwischen Hauptbahnhof, Raschplatz und Lister Meile: das Kulturzentrum Pavillon. Das Mehrspartenhaus steht seit 1977 für einen offenen Raum für eine diverse Stadtgesellschaft. Es bietet auf vier Bühnen und in zwei Gemeinschaftsräumen nicht nur ein umfangreiches Kulturprogramm, sondern versteht sich auch als offener Ort und Treffpunkt, als Begegnungs- und Erlebnisort.

Rund 1.000 Veranstaltungen im Jahr (Stand vor der Corona-Pandemie) organisiert das Pavillon-Team in dem Flachdachgebäude mit der markanten Solaranlage. Im Mittelpunkt stehen Konzerte, Kabarett und Comedy mit bekannten Künstler*innen und Newcomer*innen sowie Theater und Tanz mit der theaterwerkstatt hannover und der freien Szene. Lesungen mit Fokus auf politische, gesellschaftskritische und/oder feministische Literatur aus verschiedenen literarischen Genres erweitern das Spektrum. Dazu kommen Projekte und Veranstaltungen zu internationaler wie kommunaler Politik, zu Klimakrise, Flucht, Migration, Gesellschaftswandel und Empowerment. Der Pavillon will dazu auch Anlaufstelle für selbstorganisierte Veranstaltungsformate der verschiedenen Communities in Hannover sein. Ein Schwerpunkt ist darüber hinaus auch Kultur für Kinder ab 3 Jahren. Für die jüngsten Stadtbewohner*innen werden Theater- und Musikveranstaltungen sowie Lesungen angeboten.

Generationswechsel in der Doppelspitze

Justin Laura Hahn und Kiriakoula Kremantzouli leiten den Pavillon seit Januar 2024 gemeinsam.

50 Personen ist das Pavillon-Team stark, dazu zählen Programmplanung, Haus- und Veranstaltungstechnik, Verwaltung, Infothek und Öffentlichkeitsarbeit. Über FSJ- und Bundesfreiwilligendienststellen haben junge Menschen die Möglichkeit, Einblicke in die Arbeit eines großen Kulturzentrums zu erhalten. Hinzu kommen zahlreiche Veranstaltungshelfer*innen und externe Mitarbeiter*innen, die bei Veranstaltungen und Projekten unterstützen.

Die Geschäftsführung liegt bei einer Doppelspitze, die seit 2020 einen Generationswechsel erlebt hat. Bereits seit Januar 2022 ist die 28-jährige Justin Laura Hahn in die Geschäftsführung aufgerückt und leitet die Abteilung Verwaltung und Finanzen. Im Januar 2024 übernahm Kiriakoula Kremantzouli die Nachfolge der langjährigen Geschäftsführerin Susanne Müller-Jantsch und verantwortet zukünftig den Programmbereich.

Die beiden gebürtigen Hannoveranerinnen sind dem Pavillon schon lange verbunden. Justin Laura Hahn ist seit 2014 Teil des Teams und absolvierte nach dem Schulabschluss erst ein FSJ im Kulturzentrum und danach eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau. Dank eines Stipendiums der IHK konnte sie eine Weiterbildung zur Wirtschaftsfachwirtin und danach zur Betriebswirtin ergänzen. Innerhalb weniger Jahre konnte sie sich so von der FSJ-lerin zur Verwaltungsleiterin und Ausbilderin und nun zur Geschäftsführerin entwickeln.

Die 44-jährige Kiriakoula Kremantzouli ist Kommunikationsdesignerin, Kulturmanagerin und Mitinhaberin des hannoverschen Designbüros ItYt. Zuletzt leitete sie zudem die Geschäfte des soziokulturellen PLATZprojekt e. V., einem Modell- und Forschungsprojekt für experimentelle Stadtentwicklung in Hannover.

Beide haben große Pläne für die Gestaltung und Weiterentwicklung des Kulturzentrums in den kommenden Jahren. Einblicke in ihre Pläne und Herausforderungen gewährt das neue Leitungsteam im kurzen Fragebogeninterview:

Fünf Fragen an Justin Laura Hahn und Kiriakoula Kremantzouli

Was begeistert Sie am Kulturzentrum Pavillon?

Justin Laura Hahn: Mich begeistert das Mehrspartenprogramm des Hauses und die dadurch entstehende Vielfalt, vor, hinter und auf der Bühne. Im Pavillon finden jährlich ca. 1.000 Veranstaltungen statt, die Besonderheit ist hierbei die Gestaltung des Programms. Nicht nur die eigenen Veranstaltungen werden kuratiert, sondern auch die Vermietungen. Mit über 150 wiederkehrenden Mieter*innen, die darüber hinaus auch oft Kooperationspartner*innen sind oder im Laufe der Zusammenarbeit werden, ist der Pavillon ein wichtiger Ort für Gruppen, Initiativen und Vereine. Außerdem begeistert mich der Gestaltungsspielraum, der dem Team zur Verfügung steht, um Ideen zu entwickeln, Projekte zu initiieren und auch mal experimentieren zu können.


Kiriakoula Kremantzouli: Das Kulturzentrum ist ein sehr lebendiger Ort. Ich freue mich täglich ins Haus zu kommen, unseren Gäst*innen und Kooperationspartner*innen zu begegnen und die Vielfältigkeit der Nutzungen zu erleben.
Es ist beeindruckend zu sehen, was das Team für ein umfangreiches Programm auf die Beine stellt. Wir reflektieren kontinuierlich die eigenen programmatischen Angebote und versuchen, inhaltlich auch auf aktuelle Themen, die unsere Gesellschaft umtreiben, einzugehen und Angebote zu schaffen.
Impression des inklusiven Theaterfestivals Klatschmohn 2023 im Pavillon Hannover

Was sind Ihre Programmhighlights 2024?

Justin Laura Hahn: Meine Programmhighlights im Musikbereich sind die Weiterführung der Konzertreihe Session und der Start der neuen Reihe „Lila Metamorphose”, die das Ziel hat, FLINTA*-Acts eine Bühne zu bieten. Außerdem freue ich mich auf die Weiterführung der queer-feministischen Lesereihe „Ninia stellt vor..“. Mein ganz persönliches Highlight wird in diesem Jahr das 25-jährige Jubiliäum des inklusiven Theaterfestivals „Klatschmohn”, das ich seit knapp zehn Jahren begleite.

Kiriakoula Kremantzouli: Ich freue mich auf die Veranstaltungsreihe „ACT NOW!” mit dem dokumentarischen Theater „Klimamonologe“ oder auf die Session, die in 2022 als UK-Session an den Start gegangen ist und nun programmatisch weiterentwickelt wurde. Es wird auch vermehrt spannende Formate aus dem Sprachbereich geben, mit teils jungen und (noch) wenig bekannten, aber vielversprechenden Autor*innen z. B. innerhalb der Reihe „Ninia stellt vor..”. Zudem bin ich gespannt auf das „Best OFF Festival”, das in diesem Jahr zum wiederholten Male bei uns stattfinden wird.
Ein persönliches Highlight ist das Konzert von Erobique oder auch die Lesung von Fikri Anıl Altıntaş („Im Morgen wächst ein Birnbaum”).


* Der Begriff FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Inter, Non- Binary, Trans und agender* und bezieht sich auf die Geschlechtsidentität einer Person.

Sie arbeiten als Doppelspitze. Wo ergänzen Sie sich besonders gut?

Justin Laura Hahn: Dass die Arbeit als Doppelspitze bereichernd ist, hat mir die Zusammenarbeit mit Susanne Müller-Jantsch schon bewiesen. Durch meine Arbeit mit dem Schwerpunkt Verwaltung und Finanzen und meine Ausbildung habe ich eher den betriebswirtschaftlichen Blick und kenne das Haus mit den dazugehörigen Anspruchsgruppen aus allen Perspektiven aufgrund meines Werdegangs im Pavillon sehr gut. Kiriakoula bringt als Geschäftsführerin mit dem Schwerpunkt Programm das Gestalterische mit und setzt neue Impulse, welche die Innovationsfähigkeit und Kreativität im Team fördern. Auch Strukturen können aufgrund des Innenblicks- und Außenblicks nochmal überprüft werden.

Kiriakoula Kremantzouli: Justin Laura Hahn und ich kommen aus unterschiedlichen Richtungen – Justin mit einem betriebswirtschaftlichen und ich, als Dipl. Kommunikationsdesignerin, mit einem gestalterischen Background. Dennoch teilen wir die gemeinsame Vision, dass kulturelle Teilhabe und soziokulturelle Angebote diese Welt zu einem besseren Ort machen können.
Zudem ist Justin eine alte Häsin und dem Haus seit vielen Jahren verbunden. Ich bringe aktuell noch den Blick von außen mit, der kritisch schaut, wo es nötig ist, sich weiterzuentwickeln.

Was sind aktuell Ihre größten Herausforderungen?

Justin Laura Hahn: Der wirtschaftliche Druck ist im Kulturbereich weiter wahnsinnig hoch. Wir legen viel Wert auf eine faire Entlohnung der Mitarbeiter*innen und tragen als Ausbildungsbetrieb eine erhöhte Fürsorgepflicht, gerade was die Einhaltung von zum Beispiel Arbeitszeiten angeht. Um diese, eigentlich selbstverständlichen Bedingungen gewährleisten zu können, reichen die zur Verfügung stehenden Fördermittel für die Kultur nicht aus. Kulturschaffende sollen und werden sich nicht mehr „selbstausbeuten“. Aufgrund dieser unterstützungswerten Entwicklung ist es eine große Herausforderung, Ansprüche und Realität anzugleichen.

Kiriakoula Kremantzouli: Zu den größeren Herausforderungen gehört die weiterhin sehr angespannte wirtschaftliche Situation, in der sich der Kulturbetrieb befindet. Auch wenn die Publikumszahlen nach der Pandemie wieder angezogen haben, können wir uns nichts vormachen: der Kulturbetrieb war und ist ein Bereich mit sehr ambitionierten Akteur*innen, aber begrenzten finanziellen Ressourcen.
Inhaltlich herausfordernd ist die permanente Auseinandersetzung mit den vielen gesellschaftlichen Krisen und Themen, die parallel auf uns alle als Individuen einwirken und die wir zum Teil auch innerhalb unserer Arbeit versuchen, zu verstehen und zu bearbeiten.
Außenansicht des Kulturzentrums Pavillon mit der markanten Solaranlage auf dem Dach

Je ein Wunsch für die Zukunft des Kulturzentrums.

Justin Laura Hahn: Mein Wunsch ist der zeitnahe Ausbau der seit über zehn Jahren leerstehenden erste Etage, um dann zusätzliche 1.000 qm für kulturelle und politische Residenzen, Experimente und Veranstaltungen bieten zu können.

Kiriakoula Kremantzouli: Mein Wunsch wäre es, zukünftig den Stadtraum regelmäßiger miteinzubeziehen. Ich denke da vor allem an den Andreas-Hermes-Platz und die Möglichkeit, diesen als Kulturzentrum gemeinsam mit den anderen Akteur*innen im Haus (Bibliothek, Café Mezzo und Workshop e. V.) zu bespielen und niederschwellige Angebote zu schaffen.
Ein lang ersehnter Wunsch des Hauses ist auch der Umbau der ersten Etage und somit die räumliche Erweiterung des Kulturzentrums. Beides spannende „Räume“, in denen z. B. kleinere, nischige Formate stattfinden könnten, wo Initiativen, Kollektive und auch Nachwuchskünstler*innen den Raum bekommen, um zu experimentieren und sich zu präsentieren .