Stimmen. Sprachforschung im Krieg, 1917 - 1918
Von April 1917 bis Ende 1918 waren im Göttinger Kriegsgefangenenlager fünf Gefangene aus dem heutigen Pakistan und Afghanistan interniert. Sunab Gul, Abdul Aziz Khan, Hazrat Shah, Beidullah Khan und Shahdad Khan wurden im Ersten Weltkrieg von England als sogenannte Kolonialsoldaten auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt. 1914 gerieten sie in deutsche Gefangenschaft. Drei Jahre später ließ sie der Professor für Westasiatische Sprachen Friedrich Carl Andreas nach Göttingen überführen, wo er mit seiner Frau, der Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé, lebte.
Die Ausstellung „Stimmen. Sprachforschung im Krieg, 1917-1918“ nimmt die Forschung an den fünf Gefangenen zum Anlass, um über die Verknüpfung von Krieg und wissenschaftlicher Forschung nachzudenken. Für Andreas schuf der Krieg günstige Forschungsbedingungen; Andreas nutzte die Situation der Kriegsgefangenen für seine Forschungsinteressen. Als Kenner iranischer Sprachen erarbeitete er in täglichen Sitzungen zusammen mit den Gefangenen ausführliche Wortlisten. Der Sprachwissenschaftler notierte ihre Erzählungen, Geschichten und Lieder und befragte sie nach den politischen und geografischen Verhältnissen in ihren Heimatregionen. Nur ein Bruchteil dieser Dokumente wurde von Andreas direkt ins Deutsche übersetzt. Der größte Teil liegt heute im Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen in Lautschrift vor und wird in der Sonderausstellung zum ersten Mal einem größeren Publikum gezeigt.